Unsere Judokas in Nippon
Eine kleine Gruppe von Judokas aus den Vereinen ESV München-Ost und SV Anzing hat in diesem Herbst eine größere Gruppe von französischen Judokas bei einer 2-wöchigen Reise nach Japan begleitet. Es ging darum, das Land kennenzulernen, in dem unser Sport entstanden ist und auch darum, hier das eine oder andere Judo Training mitzumachen. Aber Judo ist ja nicht nur ein Sport, es ist auch ein Wertesystem. Daher wollen wir anhand der 10 Judo Werte über diese Reise reflektieren. Wir wollen beschreiben, was diese Werte bei einem solchen Unterfangen bedeuten und wie sie hilfreich sein können.
Freundschaft: Dieser Judo-Wert muss ganz vorne stehen, denn ohne ihn hätte die Reise für uns niemals stattgefunden. Nur aufgrund unserer langjährigen Freundschaft mit dem französischen Verein CLAM Evian wurden wir von ihnen eingeladen, an der Reise teilzunehmen. Und die Freundschaft hielt auch während der beiden Wochen. Trotz aller Sprachschwierigkeiten (die mit einem bunten Sprachmix und mit Händen und Füßen angegangen wurden) hatten wir unseren Spaß und würden uns sofort wieder gemeinsam auf den Weg machen.
Höflichkeit: Das ist in Japan ein Grundwert. Man kann hier so viel von den Japanern lernen, wenn man möchte. Ganz gleich, ob man bei Warten auf den Shinkansen doch einmal vergessen hat, sich in die Schlange zu stehen, ob die Bestellung im Ramen-Restaurant sprachbedingt etwas länger dauert und vielleicht auch etwas unpräzise ist oder ob man den Weg nicht mehr findet. Immer begegnen sie einem höflich und verständnisvoll. Das färbt definitiv ab. Und genau so, wie diese Haltung die japanische Gesellschaft am Laufen hält, so hilft es auch einer Reisegruppe, gut miteinander auszukommen.
Mut: Donnerstag der zweiten Woche unserer Reise. Es war so weit. Wir durften am Judo Training der Tokai Universität teilnehmen. Eine der Kaderschmieden des japanischen Judos. Da galt es schon, den Mut zusammenzunehmen, das ging wohl jedem in Gruppe so. Aber es hat sich gelohnt, denn diese Erfahrung möchte niemand missen.
Ernsthaftigkeit: Für alle, die es noch nicht wissen, man kann in Japan richtig seine Gaudi haben. Und das hatten wir auch, nicht nur in den vielen Bars und beim Karaoke. Aber eines war klar, sobald es auf die Matte ging, sobald Judo auf dem Programm stand, da war jeder mit 100% bei der Sache. Denn schließlich waren wir auch hier um Judo zu machen. Und das macht einfach am meisten Spaß, wenn man es ernsthaft betreibt.
Respekt: Der Kodokan in Tokio gilt zu Recht als die Wiege und das geistige Zentrum des Judos. Das nötigt einem Judoka ohnehin schon Respekt ab. Und so fiel es uns auch nicht schwer, auch die speziellen Regeln zu respektieren, die diese Institution von anderen Judo-Einrichtungen unterscheidet. So verbeugt man sich hier nicht einfach voreinander vor dem Randori. Man kniet am Mattenrand ab und verbeugt sich erst vor dem Dojo, dann voreinander. Dann steht man auf und beginnt mit dem Übungskampf. Dieses Ritual erscheint im ersten Moment fremd und umständlich. Doch es ist von Respekt geprägt und wenn man sich darauf einlässt, dann merkt man das auch.
Hilfsbereitschaft: das versteht sich auf einer längeren Reise beinahe von selbst. Irgendwann ist jeder Mal auf die anderen angewiesen. Weil er die Blasenpflaster zu Hause gelassen hat. Weil er nicht verstanden hat, ob er für die nächste Fahrt den JR Pass oder die U-Bahn Karte braucht. Weil fachmännische Hilfe beim Ansetzen von Tape-Verbänden immer gut ist. Oder aus einem der zahllosen anderen Gründen. Auch hier kann man übrigens, bei Bedarf, von den Japanern gerne etwas abschauen. Sie sind nicht nur höflich, sie helfen auch wo sie können.
Selbstbeherrschung: eine weitere Tugend, die das Reisen in großen Gruppen immens vereinfacht und angenehmer macht. Denn auf einer zweiwöchigen Reise passiert sicher auch mal etwas, was einem nicht so behagt oder was man sich einfach anders vorgestellt hätte. Es gibt viele Wege, damit umzugehen. Seinem Ärger ungefiltert und lauthals Luft zu machen ist sicher in den allermeisten Fällen die schlechteste. Denn wahrscheinlich würde dann immer jemand schimpfen und schlussendlich leidet die Gruppe darunter.
Bescheidenheit: Kommen wir noch einmal zu unserem Training mit den Cracks der Tokai Universität. Bei jedem Randori gelang es mir – wie den anderen Reiseteilnehmern auch – den einen oder anderen Wurf erfolgreich anzusetzen. Das scheint überraschend aber mit etwas Bescheidenheit lässt sich dies richtig einordnen. Meine ca. 30 Jahre jüngeren und austrainierten japanischen Trainingspartner ließen mich nämlich gewähren – und zwar genau so weit, dass ich mich dennoch anstrengen musste. Das ist die Kunst, ein Randori zu führen und dafür bin ich ihnen jetzt noch dankbar.
Wertschätzung: Wir konnten Japan gar nicht genug wertschätzen. Die beeindruckenden Kulturschätze, die Pünktlichkeit der Verkehrsmittel, besonders des Shinkansen, die Freundlichkeit der Menschen, die japanische Küchen und und und ... Gut, bei letzterem würde vielleicht nicht jeder so ganz mitziehen. Aber Wertschätzung heißt ja nicht zwingend, dass man alles mag.
Ehrlichkeit: Ganz ehrlich, wir haben ein tolles Land besucht und jeder bringt Erinnerungen mit, die ihm für immer bleiben. Und wer es uns nicht glaubt, der soll es sich selbst anschauen. Für alle anderen lohnt es sich aber auch.
RK
(Fotos von M. Markert)
(Fotos von C. Winhard, S. Chereau, M. Freudenstein, M. Markert, M. Sipple)